Lernförderliche Unterstützung
1 Theoretische Einbettung
Lernen bedeutet mehr als nur das Aneignen von Wissen – es ist ein fortlaufender Prozess, der gefördert und begleitet werden muss. Die Lehrkraft spielt dabei eine entscheidende Rolle, indem sie die Schülerinnen und Schüler gezielt unterstützt. So betont der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Grundschule die „Wichtigkeit des Lernens im Dialog und einer Kultur der wertschätzenden Rückmeldung“ (LehrplanPLUS, o. J.). Doch welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit Lernprozesse optimal unterstützt werden? Und welche Rolle spielt dabei die Lehrperson? Diese Fragen bilden den Ausgangspunkt dieser kurzen theoretischen Einbettung.
Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Bedeutung von lernförderlichem Feedback, wobei die verschiedenen Perspektiven und Ebenen näher beleuchtet werden. Zudem wird untersucht, welche Kompetenzen auf Lehrerseite für eine effektive Feedbackgestaltung erforderlich sind. Abschließend fasst ein Fazit die wichtigsten Erkenntnisse zusammen.
1.1 Feedback
Hattie beschreibt „Feedback [als] eine Information […], die von einem Akteur (z.B. Lehrperson, Peer, Buch, Eltern oder die eigene Erfahrung) über Aspekte der eigenen Leistung oder das eigene Verstehen gegeben wird (Hattie, 2015, S. 206). Ziel dieses Prozesses ist es, Lernende dabei zu unterstützen, ihre aktuelle Leistung mit dem angestrebten Lernziel in Verbindung zu setzen und auf dieser Grundlage ihren Lernprozess gezielt weiterzuentwickeln, um diese Lücke zu schließen. Mit einer durchschnittlichen Effektstärke von d=0.75 zählt Feedback zu den lernwirksamsten Steuerungselementen von Unterricht (vgl. Zierer & Hattie, 2016, S. 43). Besonders wirksam erweist sich dabei elaboriertes Feedback, das nicht nur eine Rückmeldung zur Leistung gibt, sondern auch Erklärungen zur Aufgabenstellung, zum Lösungsweg und zum erzielten Ergebnis liefert. Hattie und Timperley (2007) zeigen auf, dass insbesondere detailliertes, inhaltsbezogenes Feedback zu positiven Lerneffekten führt, während reines Lob oder extrinsische Motivation wenig bis gar keinen förderlichen Einfluss auf den Lernprozess haben (vgl. Hattie & Timperley, 2007). Die Bedeutung dieser gezielten Rückmeldungen unterstreicht auch die Metaanalyse von Kluger und DeNisi (1996), die zeigt, dass informatives Feedback nicht nur bei fehlerhaften Antworten, sondern auch bei richtigen Lösungen einen positiven Einfluss auf den Lernfortschritt haben kann. Entscheidend dabei ist, dass der Lernende durch den Vergleich früherer fehlerhafter Lösungsversuche mit der korrekten Antwort Einsichten gewinnt, die sein Verständnis vertiefen (vgl. Kluger & DeNisi, 1996). Auch hier bestätigt sich, dass einfaches Lob nur eine geringe Wirksamkeit besitzt und oft nicht ausreicht, um nachhaltige Lernerfolge zu erzielen.
1.1.1 Perspektiven von Feedback
Ein lernförderliches Feedback geht über die bloße Rückmeldung vergangener Leistungen hinaus und bietet eine umfassende Orientierung im Lernprozess. Durch die Verknüpfung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erhält der Lernende gezielte Impulse zur Weiterentwicklung. In diesem Zusammenhang lassen sich drei zentrale Ebenen unterscheiden: Feedback, Feed-Up und Feed-Forward (vgl. Zierer & Hattie, 2016, S. 45).
Feed-Back bezieht sich auf die Vergangenheit und vergleicht den aktuellen Leistungsstand mit dem Vorherigen. Dabei erhält der Lernende eine Rückmeldung zu seinen Fortschritten und erfährt, welche Entwicklungen seit dem letzten Feedback stattgefunden haben. Feed-Up hingegen betrachtet die Gegenwart und setzt den aktuellen Lernstand in Relation zu einem angestrebten Ziel. Dies ermöglicht dem Lernenden, genau zu verstehen, wo er sich im Lernprozess befindet und welche Schritte erforderlich sind, um das gesetzte Ziel zu erreichen. Feed-Forward schließlich richtet den Blick in die Zukunft. Hier erhält der Lernende gezielte Hinweise darauf, welche nächsten Schritte in seinem Lernprozess bevorstehen und welche Maßnahmen er ergreifen kann, um weitere Fortschritte zu erzielen (vgl. Zierer & Hattie, 2016, S. 45f.). Ein wirkungsvolles Feedback integriert alle drei Perspektiven und schafft so ein umfassendes Verständnis für den individuellen Lernfortschritt.
1.1.2 Ebenen von Feedback
Feedback sollte Lernende stärken und ermutigen – nicht jede Form der Rückmeldung trägt jedoch gleichermaßen zu ihrem Fortschritt bei. Eine Rückmeldung, die sich auf die Person selbst bezieht, also persönlichkeitsbezogenes Feedback, hat nur eine geringe Wirkung auf die Lernleistung. Sie kann das Selbstbild der Lernenden schwächen oder dazu führen, dass sie Herausforderungen meiden. Besonders wirksam ist aufgabenbezogenes Feedback, das sich direkt auf eine konkrete Aufgabe bezieht und den Lernenden eine Rückmeldung darüber gibt, ob eine Lösung richtig oder falsch ist. Noch hilfreicher wird es, wenn es nicht nur eine Bewertung enthält, sondern auch Hinweise zur Fehlerkorrektur und zur Optimierung des Lösungswegs bietet, dies fördert die Problemlösestrategien. Die „Aufgabe“ bildet die erste Ebene (vgl. Zierer & Hattie, 2016, S. 45f.). Das prozessbezogene Feedback reflektiert nicht nur die konkrete Lösung, sondern auch die zugrunde liegenden Denk- und Arbeitsprozesse. Indem es gezielte Hinweise zur Herangehensweise, Fehleranalyse oder zu alternativen Lösungsstrategien gibt, hilft es den Lernenden, ihre Methodik zu verbessern und nachhaltige Fortschritte zu erzielen. Der „Prozess“ bildet somit die zweite Ebene, gefolgt von der „Selbstregulation“ als dritte Ebene. Das selbstregulationsbezogene Feedback unterstützt die Eigensteuerung des Lernens und hilft den Lernenden, ihre Aufmerksamkeit, ihr Zeitmanagement und ihre Selbstkontrolle zu reflektieren und gezielt zu optimieren. Dadurch wird eine selbstgesteuerte und effektive Lernhaltung gefördert (vgl. Zierer & Hattie, 2016, S. 43f.). Insgesamt ist es entscheidend, dass Feedback nicht auf persönliche Merkmale fokussiert, sondern gezielt auf die Aufgabe, den Lernprozess und die Selbstregulation eingeht.
1.2 Kompetenzen auf Lehrerseite
Obwohl Feedback in der Bildungswelt als wirkungsvolles Instrument zur Förderung des Lernens anerkannt ist, wird es im Unterricht nicht immer erfolgreich und lernförderlich eingesetzt. Ein zentrales Problem ist beispielsweise die oft geringe Informationstiefe der Rückmeldungen durch Lehrkräfte (vgl. Hattie & Timperley, 2007). In der Praxis werden Lernziele oft nicht klar definiert, während Diagnostik eher intuitiv als systematisch erfolgt. Zudem fehlen gezielte individuelle Förderung, durchdachte didaktische Planung und eine transparente Kommunikation der Lernprozesse. Häufig mangelt es auch an fundiertem Beratungswissen, interaktiver Sensibilität und der Fähigkeit, diagnostische Erkenntnisse gezielt in adaptive Unterstützungsstrategien zu überführen (vgl. Degeling, 2019, S. 315–319). Um die Qualität von Feedback nachhaltig zu verbessern, müssen in der Lehrerbildung gezielt Kernkompetenzen gestärkt werden. Dazu zählt die Planungskompetenz, die mit klar formulierten Lernzielen eine strukturierte Unterrichtsgestaltung und effektives Feedback ermöglicht. Ebenso entscheidend ist die diagnostische Kompetenz, die Lehrkräften hilft, den Lernstand und individuelle Herausforderungen präzise zu erfassen, um ihr didaktisches Handeln gezielt anzupassen. Darauf aufbauend spielt die didaktische Kompetenz eine zentrale Rolle, indem sie diagnostische Erkenntnisse in passgenaue und motivierende Fördermaßnahmen überführt. Neben fachlichen Kompetenzen ist auch die Beratungskompetenz essenziell. Lehrkräfte begleiten den Lernprozess nicht nur fachlich, sondern auch beratend, indem sie Schülerinnen und Schüler zur Selbststeuerung anregen. Dafür sind fundiertes Beratungswissen, interaktive Sensibilität und die Fähigkeit nötig, diagnostische Erkenntnisse in individuelle Unterstützungsstrategien umzusetzen (vgl. Degeling, 2019, S. 315–319).
Diese vier Kompetenzen zeigen, wie komplex der Prozess des Feedbackgebens tatsächlich ist. Feedback ist ein essenzieller Bestandteil von Lehren und Lernen, der über den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler maßgeblich mitentscheidet. Daher ist es unerlässlich, dass Lehrkräfte gezielt in diesen Bereichen gefördert werden, um in ihrem späteren Berufsalltag qualitativ hochwertiges, differenziertes und lernförderliches Feedback geben zu können.
1.3 Fazit
Was macht also gutes Feedback aus? Gutes Feedback ist mehr als eine bloße Rückmeldung – es ist ein differenzierter, strukturierter und gezielter Prozess, der Lernende dabei unterstützt, ihre Leistung zu reflektieren, zu verstehen und weiterzuentwickeln. Wirksames Feedback setzt nicht nur an der erbrachten Leistung an, sondern verknüpft Vergangenes mit Gegenwärtigem und lenkt den Blick in die Zukunft. Es gibt Orientierung, zeigt Entwicklungsmöglichkeiten auf und motiviert zur Weiterarbeit. Entscheidend ist, dass Feedback nicht nur auf das Ergebnis, sondern auch auf den Lernprozess und die Selbstregulation der Lernenden eingeht. Besonders wirkungsvoll ist elaboriertes, inhaltsbezogenes Feedback, das klare Hinweise zur Optimierung liefert und den Lernenden aktiv in seinen Fortschritt einbindet. Zudem wurde die Rolle der Lehrkraft als zentrale Instanz für die Gestaltung und Wirksamkeit von Feedback herausgestellt. Lehrkräfte benötigen eine Vielzahl an Kompetenzen – von diagnostischer und didaktischer Kompetenz über Beratungskompetenz bis hin zur Fähigkeit, Feedback strategisch in den Unterricht zu integrieren.
Diese theoretische Einbettung konnte nicht alle Facetten von lernwirksamem Feedback umfassend darstellen. Dennoch wurde verdeutlicht, wie vielschichtig und anspruchsvoll der Prozess des Feedbackgebens ist. Lernförderliches Feedback ist keine beiläufige Randnotiz im Unterricht, sondern ein zentrales Steuerungsinstrument des Lernens. Es ist nicht einfach nur eine Bestätigung von richtig oder falsch, sondern eine gezielte Unterstützung, die in jeder Unterrichtsstunde präsent sein sollte. Damit es sein volles Potenzial entfalten kann, müssen Lehrkräfte gezielt in ihrer Feedbackkompetenz geschult und unterstützt werden. Denn nur wenn sie in der Lage sind, differenziertes, individuelles und prozessbegleitendes Feedback zu geben, kann es seine volle Wirksamkeit entfalten und nachhaltiges Lernen fördern.
Quellen
- Degeling, M. (2019). Herausforderung Kohärenz: Praxisphasen in der universitären Lehrerbildung. Verlag Julius Klinkhardt.
- Hattie, J. (2015). Lernen sichtbar machen (W. Beywl & K. Zierer, Hrsg.). Schneider Hohengehren.
- Hattie, J., & Timperley, H. (2007). The Power of Feedback. SAGE Pubilcations, Review of educational research(77 (1)), 81–112.
- Kluger, A., & DeNisi, A. (1996). The Effects of Feedback Interventions on Performance: A Historical Review, a Meta-Analysis, and a Preliminary Feedback Intervention Theory. Psychological Bulletin, 119, 254–284. https://doi.org/10.1037/0033-2909.119.2.254
- LehrplanPLUS. (o. J.). Grundschule—Bildungs- und Erziehungsauftrag. Abgerufen 7. Februar 2025, von https://www.lehrplanplus.bayern.de/bildungs-und-erziehungsauftrag/grundschule
- Zierer, K., & Hattie, J. (2016). Gib und fordere Rückmeldung! Pädagogik 11/2016. https://doi.org/10.3262/PAED1611042