Zillmann, B.: Wilhelm von Humboldt und die humanistische Bildung [Audio-Podcast]. In: SWR2 Wissen. SWR2 (22.06.2018).

Wilhelm von Humboldt und die humanistische Bildung


Eine strukturierte Zusammenfassung der wesentlichen Inhalte kannst du dir hier downloaden... 

Humboldt und die Humanistische Bildung Pdf
PDF – 117,3 KB 3 Downloads

Humboldt, W.: Die Bildung des Menschen. In: Baumgart, F. (Hg.) (2007): Erziehungs- und Bildungstheorien, Erläuterungen - Texte - Arbeitsaufgaben, 3. durchges. Aufl. Bad Heilbrunn: Klinkhardt (UTB, 2957). S. 94-97

Der Neuhumanismus – Humboldt: Die Bildung des Menschen 

 

Zunächst Beantwortung der im Text gestellten Arbeitsaufgaben:  


1. Wie lässt sich (laut Humboldt) die „letzte Aufgabe unsres Daseyns“ und damit das Ziel von Bildung beschreiben?

  • Die letzte Aufgabe des Menschen ist es, dem „Begriff der Menschheit“ in sich möglichst viel Inhalt (durch “Spuren des lebendigen Wirkens” zu geben. 
  • Das Ziel von Bildung: Individuelle Selbstentfaltung durch freie Wechselwirkung mit der Welt. (“Durch die Verknüpfung unseres Ichs mit der Welt zu der allgemeinsten, regesten und freiesten Wechselwirkung”) 
  • Das Menschenbild dahinter: Der Mensch ist ein freies, selbsttätiges, ganzheitliches Wesen, das sich ständig weiterentwickeln will. 

Dies spiegelt sich auch in seinem Menschenbild wieder. Kurz dazu:  

Humboldt hatte ein humanistisches Menschenbild. Er glaubte an das Potenzial eines jeden Menschen, sich durch Bildung und Freiheit zu entwickeln und zu einem selbstbestimmten Individuum zu werden. Für ihn war der Mensch nicht nur ein Rationales Wesen, sondern auch ein Wesen mit Leidenschaften, Neigungen und dem Drang zur Selbstentfaltung. 

2. Welche Bedeutung kommt der Welt und ihren Gegenständen nach Humboldt für die Bildung des Menschen zu? (Zuordnung von Bildungsprozessen zu best. Lebensabschnitten

  •  Die Welt und ihre Gegenstände sind notwendig, weil der Mensch sich nur im Austausch mit äußeren Dingen bilden kann. 
    • Die Formulierung „allgemeinste, regeste und freiesten Wechselwirkung“ beschreibt genau diesen Idealzustand. 
    • Lebensphasen? Ja, man könnte sagen: 
    • In der Kindheit: Neugier und Sinneswahrnehmung. 
    • In der Jugend: Fantasie und kreative Auseinandersetzung. 
    • Im Erwachsenenalter: Reflektierte Bildung, Integration von Erfahrung. 

    3. Dieses Verständnis von Bildung und Bildungsprozessen geht über einen enggefassten Erziehungsbegriff im Sinne einer intentionalen Beeinflussung von Heranwachsenden hinaus. Erläutern Sie diese These.

    Humboldts Bildungsverständnis unterscheidet sich grundlegend von einem enggefassten Erziehungsbegriff: Erziehung meint in der Regel die gezielte, intentionale Einflussnahme auf Heranwachsende – also die Anleitung durch Eltern, Lehrkräfte oder Institutionen, um bestimmte Kompetenzen, Werte oder Verhaltensweisen zu vermitteln. Demgegenüber beschreibt Bildung bei Humboldt einen inneren, selbstgesteuerten Prozess, bei dem der Mensch durch die aktive Auseinandersetzung mit der Welt seine eigenen Kräfte entfaltet und seine Persönlichkeit formt. Bildung geschieht nicht auf Anweisung von außen, sondern aus einem inneren Antrieb zur Selbstvervollkommnung heraus. Humboldt betont, dass dieser Prozess über das Ziel der bloßen Wissensvermittlung oder Anpassung hinausgeht. Bildung ist nicht Mittel zu einem Zweck, sondern ein Selbstzweck: Der Mensch bildet sich, um dem Begriff der „Menschheit“ in seiner Person Inhalt zu geben und Spuren seines Wirkens zu hinterlassen. 

    Zentral ist dabei die Idee der „freiesten, regesten Wechselwirkung“ zwischen Individuum und Welt (S. 94). Diese Wechselwirkung ist kein kontrollierter Erziehungsprozess, sondern eine offene Begegnung mit der Welt, aus der individuelle Entwicklung hervorgeht. 

    4. Wie ist dieses Bildungsideal angesichts einer Gesellschaft, die durch Armut, Not und Ungleichheit geprägt ist, zubewerten? (hierzu: Erforderliche Lebensumstände)

    • Humboldts Ideal setzt Freiheit, Selbstbestimmung und Zugang zu Welt voraus. 
    • In Gesellschaften mit Armut oder sozialer Ungleichheit ist das schwer zu erreichen. 
    • Daher braucht es gesellschaftliche Bedingungen wie: 
    • Zugang zu Bildung für alle 
    • Zeit und Raum zur Selbstentfaltung 
    • Schutz vor Existenzsorgen 

     

    5. Vergleich mit der Aufklärungspädagogik

    • Gemeinsamkeiten: 
    • Mensch als vernunftbegabtes Wesen 
    • Ziel: Selbstbestimmung und Autonomie 

     

    • Unterschiede: 
    • Humboldt betont ästhetisch-ganzheitliche Bildung mehr als reine Vernunftbildung. 
    • Er geht über rationales Denken hinaus und integriert Fantasie, Gefühl und Sinneswahrnehmung. 

     

     

    Humboldt, W.: Vorschläge für die Organisation des preußischen Bildungssystems. In: Baumgart, F. (Hg.) (2007): Erziehungs- und Bildungstheorien, Erläuterungen - Texte - Arbeitsaufgaben, 3., durchges. Aufl. Bad Heilbrunn: Klinkhardt (UTB). S. 111-117

    Kurz vorab:

    Wilhelm von Humboldt unterscheidet allgemeine Bildung (Bildung des Menschen um seiner selbst willen) von spezifischer Bildung (Ausbildung für einen Beruf). Der Staat soll für eine einheitliche Schulorganisation sorgen, die jedem – unabhängig vom späteren Beruf – eine umfassende Menschenbildung ermöglicht. Erst danach soll berufliche Spezialisierung einsetzen. 

    Humboldt: Vorschläge für die Organisation des preußischen Bildungssystems  

    hierzu: Arbeitsaufgaben auf S. 117: 


    1. Erläutern Sie mit Humboldt das Verhältnis zwischen allgemeiner und spezieller Bildung.

    • Humboldt betont, dass alle Schulen, die vom Staat getragen werden, allein auf allgemeine Menschenbildung zielen müssen (S. 111). 
    • Berufsspezifische Bildung soll erst nach der allgemeinen Bildung erfolgen, da eine Vermischung beider zur „unreinen Bildung“ führe (S. 111). 
    • Die allgemeine Bildung soll den ganzen Menschen „stärken, läutern und regeln“ – sie ist an Einsicht und ganzheitliche Persönlichkeitsbildung orientiert (S. 111f.). 
    • Die spezielle Bildung (z. B. für Handwerk, Technik) vermittelt Fertigkeiten – oft ohne tiefes Verständnis. Sie ist notwendig, aber sekundär. 

    2. Welche Stadien des Unterrichts (Vermittlung allgemeiner Bildung) nennt Humboldt? Wie unterscheiden sich ihre Zielperspektiven (für einzelne Stadien), und was ist ihr gemeinsamer Nenner?

    Humboldt unterscheidet drei natürliche Stadien der Bildung (S. 113): 

    • Elementarunterricht 
    • Schulunterricht 
    • Universitätsunterricht 
    • Ziel des Elementarunterrichts: Grundlagen der Sprache, des Denkens und der Zahlenverhältnisse. Er macht Unterricht überhaupt erst möglich (S. 114). 
    • Ziel des Schulunterrichts: Erwerb grundlegender Kenntnisse und Bildung der intellektuell-mechanischen Kräfte (Lernen lernen) (S. 114). 
    • Ziel des Universitätsunterrichts: Selbstständige Forschung und Denken; hier ist der Studierende nicht mehr passiver Lernender, sondern aktiver Forscher (S. 114–115). 

    Gemeinsamer Nenner: Alle Stadien dienen der Bildung des Gemüts, also der Persönlichkeitsbildung durch Einsicht, Denken und ästhetische Erhebung. 

    3. Wie sollen diese bildungstheoretischen Überlegungen idealiter schulorganisatorisch realisiert werden?

    • Schulorganisation soll sich an den drei genannten Stadien orientieren – keine zusätzlichen Schularten wie „Mittelschulen“, die eine künstliche Zwischenform darstellen. 
    • Schulen sollen eine kontinuierliche Bildungsentwicklung ermöglichen, ohne Brüche (S. 113). 
    • Wichtig ist eine einheitliche Grundlage, damit jeder unabhängig von sozialem Stand gleiche Bildungschancen hat (S. 112). 

    4. Beurteilen Sie das Programm der Elementarerziehung im Sinne Humboldts auf dem Hintergrund der damaligen Schulverhältnisse.

    • Humboldt fordert hochwertige Elementarschulen für alle, auch für ärmere Kinder. 

    Bezug zur Aufklärungspädagogik und Zedlitz: 

    • Die Aufklärung forderte bereits eine Alphabetisierung der breiten Bevölkerung. 
    • Bei Zedlitz war der Alphabetisierungsgrad auf dem Land noch sehr niedrig – Humboldt greift diesen Missstand auf, indem er verlangt, dass Bildung nicht Klassenprivileg bleibt.

    5. Aus welchen Gründen lassen sich aus der Sicht Humboldts eigenständige Mittelschulen bildungstheoretisch nicht rechtfertigen? Warum hält er dennoch ihre Existenz zur damaligen Zeit für erforderlich?

    • Humboldt kritisiert Mittelschulen, weil sie Kinder vorschnell auf bestimmte Lebenswege festlegen und die Einheit der Bildung gefährden (S. 116). 
    • Dennoch hält er ihre Existenz praktisch für notwendig, um organisatorische und soziale Übergänge abzufedern (S. 116). 

    6. Welches inhaltliche Profil sollen die »gelehrten Schulen« der Zukunft nach Humboldt entwickeln? Lassen sich mit Blick auf das gegenwärtige Gymnasium Kontinuitätslinien erkennen?

    • Gelehrte Schulen sollen nicht nur Latein lehren, sondern gleichwertig mathematisch, historisch und sprachlich ausbilden: 
    • Humboldt fordert auch Individualisierung (S. 116-117). 

    Kontinuitätslinien zum heutigen Gymnasium: 

    • Der heute angestrebte ganzheitliche Fächerkanon, die Individualisierung (z. B. durch Wahlpflichtfächer) und das Ziel der Studierfähigkeit gehen deutlich auf Humboldts Konzept zurück. 

    7. Vergleichen Sie die Konzeption der »gelehrten Schulen« bei Zedlitz mit derjenigen von Humboldt.

    •  Bei Zedlitz lag der Fokus stark auf Nützlichkeit (vor allem für Verwaltung und Militär). 
      • Humboldt hingegen betont die allgemeine Menschenbildung und die Individualität: nicht Staatsnützlichkeit, sondern Persönlichkeitsbildung steht im Vordergrund. 
      • Die „gelehrten Schulen“ sollen nicht nach Verwertbarkeit des Wissens, sondern nach ihrem Beitrag zur inneren Entwicklung des Menschen bewertet werden.