Erziehungsziele

Grundlegendes Wissen...


Normen (allgemein gültig)

Werte (orientierend)

Erziehungsziele (konkretisiert, handlungsleitend)

Erziehungshandeln (pädagogische Praxis)

Gesellschaftlicher Kontext von Erziehungszielen

  • Erziehungsziele sind zeit- und gesellschaftsgebunden.

  • Gesellschaftlicher Wandel → Veränderung von Zielkategorien.

 

Beispiele für moderne Erziehungsziele:

  • Mündlichkeit (sprachliche Ausdrucksfähigkeit)

  • Mündigkeit (Selbstständigkeit, Urteilsfähigkeit)

  • Moralische Entwicklung und Wertevermittlung

Funktionen von Erziehungszielen

(nach Gudjons, 2020 & Weber, 1999)

Allgemeine Funktionen:

  • Orientierung für Erziehende (Was soll erreicht werden?)

  • Motivation für Erzieher:innen und Kinder

  • Legitimation von Erziehung (Warum ist sie gerechtfertigt?)

  • Grundlage zur Realisierung intentionaler Erziehung

 

Konkretisierung durch Gudjons & Weber:

  • Gudjons (2020): Ziele ermöglichen die Überprüfung des Erziehungserfolgs (→ Ziel-Erreichung als Indikator)
  • Koordination: Ziele helfen bei der Abstimmung zwischen Akteuren (Lehrkräfte, Eltern etc.)

  • Weber (1999): Ziel-Funktionen = Orientierung, Motivation, Legitimation, Realisierung

Legitimation von Erziehungszielen

Normative Legitimation

Diskursive Legitimation

Verfahrenslegitimation


Kernidee

Ableitung von Erziehungszielen aus übergeordneten, angeblich allgemeingültigen Normen (z. B. Menschenbild, religiöse oder moralische Werte).

Legitimation durch argumentatives Aushandeln unter möglichst gleichen Beteiligungsbedingungen.

Legitimation erfolgt über anerkannte formale Verfahren (z. B. Beschlüsse von Gremien, Parlamenten, Expertengruppen).

Merkmale

  • Historisch früheste Form der Legitimation.
  • Normen gelten als „vorpädagogisch“, unfehlbar und nicht hinterfragbar.

  • Deduktive Ableitung der Ziele (vom Allgemeinen zum Konkreten).

  • Keine methodisch-wissenschaftliche Reflexion oder Überprüfung.

  • Ideal: symmetrischer Diskurs mit möglichst vielen Beteiligten.
  • Ziele entstehen durch Konsens, Überzeugung und rationale Diskussion.

  • Kommunikation statt Tradition oder Autorität.

  • Fokus liegt auf dem Prozess, nicht auf den Inhalten.
  • Demokratische Strukturen und institutionalisierte Abläufe als Legitimitätsgrundlage.

  • Akzeptanz durch Rechtsform und Beteiligung formeller Instanzen.

Vorteile

  • Gibt klare Orientierung und Richtung.
  • Schnelle und einfache Ableitung von Zielen möglich.

  • Oft gesellschaftlich anschlussfähig bei traditionell geprägten Werten.

  • Demokratisch, offen, pluralistisch.
  • Anpassungsfähig an gesellschaftliche Entwicklungen.

  • Fördert Reflexion und kritisches Denken.

  • Rechtssicherheit und Transparenz.
  • Praktisch umsetzbar in größeren Gesellschaften.

  • Verbindlich und institutionalisiert.

Nachteile

  • Sehr interpretationsoffen → Willkür möglich.
  • Wissenschaftlich nicht haltbar (fehlende Begründungstiefe).

  • Keine Möglichkeit zur Weiterentwicklung oder Anpassung an neue Kontexte.

  • In der Praxis schwer umsetzbar (Zeit, Ressourcen, Machtungleichgewichte).
  • Setzt hohe kommunikative und argumentative Kompetenzen voraus.

  • Gefahr der Dominanz durch lautere oder einflussreichere Stimmen.

  • Inhalte können trotzdem fragwürdig sein (z. B. Mehrheitsbeschlüsse mit problematischen Zielen).
  • Gefahr der Instrumentalisierung durch Machtinteressen.

  • Oft wenig echte Beteiligung der Betroffenen.

In der Kürze liegt die Würze

  • Erziehungsziele sind zeitlich wandelbar und spiegeln den gesellschaftlichen Kontext wider.

  • Sie dienen als Leitlinien, Begründungen und Koordinationshilfen im pädagogischen Handeln.

  • Gudjons und Weber betonen Funktionen wie Orientierung, Legitimation und Motivation.

  • Normen und Werte bilden die Grundlage für die Formulierung von Erziehungszielen.

Gudjons, H. & Traub, S. (2020). Pädagogisches Grundwissen: Überblick - Kompendium - Studienbuch (13. Aufl.). utb Pädagogik: Bd. 3092. UTB GmbH; Klinkhardt.

Ziele, Normen und Werte – was ist was?

Diese Begriffe werden oft durcheinandergebracht. Aber sie gehören zusammen und lassen sich gut unterscheiden:

Begriff

 

Ziel

 

 

Norm

 

 

Wert

Bedeutung

 

Konkreter Zweck

 

 

Regel, wie man sich verhalten soll

 

Grundidee, was wichtig und gut ist.

Beispiel

 

"Kinder sollen pünktlich sein"

 

"Man soll zuverlässig sein"

 

"Verwaltung", "Freiheit"

Werte sind die tiefste Ebene. Aus ihnen entstehen Normen, und aus Normen leiten sich Ziele ab.

 

Was machen wir mit diesen Zielen in der Erziehung?

  • Pädagogisches Handeln braucht Ziele – sonst wüsste man nicht, wohin man erziehen will.
  • Diese Ziele müssen klar und überprüfbar sein (also nicht zu vage – z. B. statt „Persönlichkeit entfalten“ besser: „Teamfähigkeit fördern“).
  • Ziele hängen immer mit bestimmten Erziehungsmitteln zusammen: z. B. Lob, Tadel, Vorbild, Gespräch, Spiel.

 

Aber wichtig:

Erziehung ist keine Maschine. Man kann sie nicht einfach wie ein technisches Mittel einsetzen („Wenn ich X tue, passiert Y“). Es bleibt ein offener, menschlicher Prozess.

 

 

Verbindung mit Tugenden und heutiger Werte-Diskussion

  • Tugenden sind „praktisch gelebte Werte“ – also Verhaltensweisen, mit denen Werte sichtbar werden (z. B. Fairness, Verlässlichkeit).
  • Die Gesellschaft diskutiert viel über Wertewandel (z. B. früher: Gehorsam, heute: Selbstständigkeit, Kooperation).
  • Manche sehen darin einen „Werteverfall“, andere sagen: Die Werte bleiben, nur die Ausdrucksformen (Tugenden) ändern sich.

 

 

Werte sind wichtig – aber auch problematisch

  • In einer pluralistischen Gesellschaft (mit vielen Meinungen und Lebensentwürfen) ist es nicht einfach, allgemeingültige Erziehungsziele zu definieren.
  • Die Pädagogik kann Werte reflektieren und analysieren, aber sie kann nicht allein entscheiden, welche Werte „gültig“ oder „richtig“ sind.  Das ist das „Normproblem“ der Pädagogik.

Fazit in einem Satz

Erziehung ist ein bewusster, absichtsvoller Prozess, der auf Ziele, Normen und Werte angewiesen ist – doch diese sind nicht neutral oder objektiv, sondern müssen immer wieder kritisch hinterfragt und im Dialog mit der Gesellschaft entwickelt werden.

Weber, E. (1999). Pädagogik Eine Einführung (8. Aufl., Band 1, 3). Auer. S. 451-461; 475-477

Was sind Erziehungsziele und wozu sind sie da?

Erziehungsziele sind Vorstellungen davon, wie sich ein Mensch durch Erziehung entwickeln soll. Sie helfen Erziehenden, sich zu orientieren, Entscheidungen zu treffen und ihr Handeln zu begründen.

Laut Brezinka (1972, 1975) haben Erziehungsziele verschiedene Funktionen:

  • Sie geben Orientierung.

  • Sie motivieren dazu, pädagogisch zu handeln.

  • Sie helfen dabei, Erziehungserfolge zu überprüfen.

  • Sie unterstützen die Zusammenarbeit (z. B. von Eltern und Lehrkräften).

  • Sie steigern das Selbstbewusstsein von Erziehenden.

Aber: Erziehungsziele können auch missbraucht werden, etwa als leere Floskeln, die gut klingen, aber nichts bedeuten.

Wie kann man Erziehungsziele sortieren oder klassifizieren?

Weil es so viele verschiedene Erziehungsziele gibt, versucht man sie zu ordnen. Beispiele:

  • Nach Wichtigkeit: Hauptziele vs. Teilziele

  • Nach Zeit: kurzfristige Ziele (z. B. für eine Stunde) vs. langfristige (z. B. Lebensziele)

  • Nach Bereich: kognitive Ziele (Denken), affektive Ziele (Fühlen), sensomotorische (Handeln)

  • Nach Lebensbereich: z. B. politische, religiöse, wirtschaftliche Ziele Diese Ordnung hilft dabei, im Unterricht oder der Bildungspolitik klarer zu arbeiten.

Wie kann man Erziehungsziele begründen (= legitimieren)?

Früher galt: Was die Gesellschaft vorgibt, ist richtig. Heute: In einer offenen Gesellschaft müssen Erziehungsziele begründet werden. Man fragt: Warum ist dieses Ziel richtig oder wichtig?

 

1. Normative Legitimation (z. B. Francke, religiös):

Man leitet Ziele von übergeordneten religiösen oder politischen Werten ab. Beispiel: August Hermann Francke (1702) wollte Kinder zur "wahren Gottseligkeit" erziehen.
→ Problem: Diese Begründungen sind oft vage und nicht für alle nachvollziehbar.
(vgl. Francke zit. in Weber 1999, S. 454; kritisch dazu: H. Blankertz 1969)

 

2. Verfahrenslegitimation (z. B. Luhmann):

Hier zählt das Verfahren: Ziele sind gültig, wenn sie demokratisch beschlossen wurden – z. B. durch Parlamente oder Expertengremien.
→ Problem: Auch demokratisch beschlossene Ziele können problematisch sein (z. B. im Nationalsozialismus).
(vgl. Luhmann 1969; Weber 1999, S. 456)

 

3. Diskursive Legitimation (z. B. Habermas):

Ziele sind dann legitim, wenn sie in einem fairen Diskurs (= Gespräch) von allen Betroffenen gemeinsam entwickelt wurden.
→ Ideal: Jeder darf mitreden, keiner wird unterdrückt.
→ Aber: In der Realität schwer umzusetzen.
(vgl. Habermas 1973; Klafki 1989; Weber 1999, S. 457–459)

 

Wichtig:

W. Tröger (1986) sagt: Alle drei Wege sind wichtig und sollten kombiniert werden. Man kann Erziehungsziele nicht 100 % beweisen, aber gut begründen.
(vgl. Tröger 1986, S. 194)

Gefahren bei Erziehungszielen

Weber nennt einige Risiken (S. 476–477):

  1. Fremdbestimmung vs. Selbstbestimmung: Wenn man nur Normen vorgibt, ist keine Freiheit möglich. Ohne Normen gibt’s aber auch keine Richtung. → Heid (1972, 1989) fordert eine Balance: Erziehen zur Mündigkeit durch Diskussion.

  2. Vergangenheitsfixierung: Traditionelle Ziele können Entwicklung behindern. → Bittner (1964) warnt vor zu starren Leitbildern.

  3. Vage oder leere Formulierungen: Wenn Ziele unklar sind, helfen sie in der Praxis nicht weiter.

  4. Utopien: Zu hohe Ziele führen zu Überforderung und Frust bei Kindern.

  5. Indoktrination: Wenn Ziele dogmatisch vorgegeben werden (z. B. in totalitären Staaten), kann das zur Manipulation führen.

Mehr als nur "good to know"


Die Legitimation von Erziehungszielen – Warum und wie sie begründet werden müssen


Erziehungsziele geben pädagogischem Handeln Richtung und Orientierung. Sie definieren, was Kinder und Jugendliche im schulischen Kontext lernen und entwickeln sollen – kognitiv, sozial, emotional und moralisch. Doch gerade weil Erziehung immer auch in die Freiheit des Einzelnen eingreift, stellt sich die Frage: Wer darf festlegen, was „gutes“ oder „richtiges“ Verhalten ist? Und auf welcher Grundlage lassen sich solche Ziele rechtfertigen – insbesondere in einer pluralen, demokratischen Gesellschaft wie der unseren?

Diese Fragen sind nicht nur theoretisch relevant, sondern auch praktisch prüfungsrelevant. So lautete eine zentrale Aufgabe in einem früheren Staatsexamen:
„Begründen Sie, warum in unserer Gesellschaft schulische Erziehungsziele legitimiert werden müssen, und erläutern Sie, wie sich Erziehungsziele legitimieren lassen.“
(Bekanntmachung vom 15.10.2015)

 

Warum brauchen Erziehungsziele eine Legitimation?

Zunächst ist festzuhalten, dass Erziehungsziele nicht beliebig festgelegt werden können. Sie betreffen grundlegende Rechte und Freiheiten von Schülerinnen und Schülern. Nach Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes hat jeder Mensch das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit – „soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“ Wenn aber staatliche Institutionen wie Schulen verbindliche Ziele formulieren, greifen sie notwendigerweise in diese Freiheit ein. Damit entsteht ein Legitimationsbedarf, der über bloße Zweckmäßigkeit hinausgeht.

Hinzu kommt, dass wir in einer pluralen Gesellschaft leben. Unterschiedliche weltanschauliche, religiöse und kulturelle Vorstellungen über ein „gutes Leben“ existieren gleichberechtigt nebeneinander. In einem solchen Kontext muss Schule besonders darauf achten, keine einseitige Ideologie zu vermitteln. Sie darf keine „Wahrheiten“ aufzwingen, sondern muss begründete, konsensfähige Bildungsziele verfolgen, die mit den demokratischen Grundwerten vereinbar sind.

Diese Spannung zwischen individueller Freiheit und gesellschaftlicher Erwartung kommt besonders deutlich im Spannungsverhältnis von Schulpflicht und Freiheitsrechten zum Ausdruck. Der Philosoph Immanuel Kant bringt dies prägnant auf den Punkt, wenn er fragt: „Wie lehre ich die Freiheit nach dem Zwange?“ Genau dieses Dilemma muss in der pädagogischen Praxis immer wieder neu ausbalanciert werden.

 

Das Grundgesetz als Fundament der Legitimation

Das Grundgesetz bietet zentrale rechtliche und normative Grundlagen, auf die sich die Legitimation schulischer Erziehungsziele stützen lässt. Es formuliert nicht nur die Rechte des Individuums, sondern auch den politischen und gesellschaftlichen Rahmen, in dem sich Schule bewegt. Einige besonders relevante Artikel sind:

  • Artikel 1 GG – Menschenwürde: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Dieses Prinzip verpflichtet alle staatliche Gewalt – und damit auch die Schule – zur Achtung und zum Schutz jedes einzelnen Kindes.

  • Artikel 2 GG – Persönlichkeitsrechte: Erziehungsprozesse sollen die individuelle Entfaltung fördern, nicht unterdrücken. Schule ist daher zur Förderung von Selbstständigkeit und Eigenverantwortung verpflichtet.

  • Artikel 7 GG – Schulwesen: Der Staat hat das Recht und die Pflicht zur Schulaufsicht. Dies begründet sowohl die Verantwortung für die Zielsetzung schulischer Bildung als auch die Notwendigkeit, diese demokratisch abzustimmen.

  • Artikel 20 GG – Demokratieprinzip: Schule hat den Auftrag, junge Menschen zu demokratischer Mitwirkung zu befähigen. Demokratie ist dabei nicht nur Unterrichtsinhalt, sondern auch Prinzip der schulischen Organisation.

Nicht zuletzt muss bei der Legitimation von Erziehungszielen bedacht werden, wer diese Ziele überhaupt festlegt: In einer demokratischen Gesellschaft geschieht dies nicht willkürlich oder autoritär, sondern über legitimierte Gremien und Verfahren. Der Staat, der für das Bildungswesen verantwortlich ist, handelt auf Grundlage demokratischer Prinzipien. Die politischen Entscheidungsträgerinnen und -träger – also Parlamente und Regierungen – werden vom Volk gewählt. Damit sind auch die grundlegenden Bildungsziele, die etwa in Schulgesetzen und Lehrplänen formuliert werden, indirekt demokratisch legitimiert. Dieses Prinzip der Volkssouveränität – verankert in Artikel 20 des Grundgesetzes – bildet eine wichtige Grundlage dafür, warum und wie der Staat pädagogisch handeln darf: nicht als Selbstzweck, sondern im Auftrag und zum Wohl der Gesellschaft.

 

Demokratie als Erziehungsziel – ein kritischer Blick

Ein besonders häufig genanntes und im Examen gern geprüftes Erziehungsziel ist die „Demokratieerziehung“. Doch was bedeutet das konkret? Oft beschränkt sich die Praxis auf sichtbare Maßnahmen wie Klassensprecherwahlen oder Beteiligung an Schulkonferenzen. Das ist zweifellos ein Anfang – aber greift zu kurz. Ein erweitertes Demokratieverständnis fragt auch nach impliziten Strukturen im Schulalltag: Dürfen Schüler*innen mitentscheiden, was gelernt wird? Wie viel Mitbestimmung gibt es bei Hausaufgaben, Lernmethoden oder Raumgestaltung?

Gerade in solchen scheinbar nebensächlichen Fragen wird deutlich, wie ernst es eine Schule mit demokratischen Prinzipien meint. Bereits das Umstellen der Tische zu Gruppentischen – entschieden von der Lehrkraft oder gemeinsam mit der Klasse – kann ein demokratisches Lernklima fördern. Hier lernen Schüler*innen, Verantwortung zu übernehmen, Kompromisse zu schließen und Konflikte gemeinsam zu lösen. Demokratie wird nicht nur gelehrt, sondern gelebt.

Die Legitimation schulischer Erziehungsziele ist mehr als eine formale Pflicht – sie ist Ausdruck des Respekts vor dem Individuum und der Vielfalt unserer Gesellschaft. In einer demokratischen Ordnung wie der unseren bietet das Grundgesetz eine zentrale Orientierung: Es schützt die Freiheit der Einzelnen und verpflichtet zugleich zur Förderung eines friedlichen, toleranten und solidarischen Zusammenlebens. Wer diese Doppelrolle von Freiheit und Verantwortung erkennt, kann auch pädagogische Ziele fundiert begründen – in der schulischen Praxis ebenso wie im Examen.

Tarnai, C. (2010). Erziehungsziele. In D. H. Rost, J. R. Sparfeldt & S. R. Buch (Hrsg.), Handwörterbuch Pädagogische Psychologie (4. Auflage, S. 169-174). Weinheim, Beltz Verlagsgruppe.

Laut Brezinka (1991, 1995):
Erziehungsziele sind Ergebnisse, die durch Erziehung erreicht werden sollen. Dabei unterscheidet er zwei Arten:

  • "Minimalbegriff": was der Erziehende will, egal ob es moralisch richtig ist.

  • "Normbegriff": was gesellschaftlich als richtig und gut gilt.

(Brezinka zit. nach Tarnai, 2010, S. 168)

Kritisch: Brezinka selbst sagt, Erziehung solle auf wertvolle Ziele ausgerichtet sein – daher ist der Minimalbegriff eigentlich unpassend.

 

Rost & Witt (1993) schlagen vor, zwischen drei Aspekten zu unterscheiden:

  1. generell-normativ (gesellschaftliche Werte),

  2. individuell-normativ (persönliche Überzeugungen),

  3. deskriptiv (konkrete, beobachtbare Ziele im Alltag).

(Rost & Witt zit. nach Tarnai , 2010, S. 168)

 

Erziehungsziele in der Familie

Was wollen Eltern eigentlich erreichen?

Grüneisen & Hoff (1980) befragten Eltern und fanden:
Die wichtigsten Ziele sind:

  • Ehrlichkeit

  • Glücklichsein

  • Selbständigkeit

Weniger wichtig sind:

  • Religiös sein

  • Schamgefühl

  • Beliebt bei Erwachsenen

  • Still sein

(Grüneisen & Hoff zit. nach Tarnai, 2010, S.169)

 

Rost & Witt (1993) bestätigen das mit neuen Studien – besonders wichtig sind:

  • Selbstvertrauen

  • Verantwortungsbewusstsein

  • Konflikte verbal lösen

  • Toleranz

  • Aufgeschlossenheit

Ziele wie „Ordnung“ oder „Gehorsam“ landen auf den hinteren Plätzen.

Interpretation: Eltern benennen gesellschaftlich akzeptierte Werte, nicht unbedingt das, was sie im Alltag tatsächlich tun (Rost & Witt zit. nach Tarnai, 2010, S. 169f.).

 

Erziehungsziele in der Schule

Hier geht’s nicht um Lehrpläne, sondern darum, was Lehrkräfte selbst für wichtig halten.

Krampen (1979) fand bei Lehrern:

  • Wichtigstes Ziel: Selbständigkeit

  • Danach: Selbstvertrauen, Ehrlichkeit, Hilfsbereitschaft

(vgl. Krampen zit. nach Tarnai, 2010, S.171)

Stangl (1982) stellte fest:

  • Lehrer haben ein realistisches Bild von den Wünschen der Schüler.

  • Schüler hingegen glauben oft, Lehrer wollten vor allem „Konformität“ (also Gehorsam, Ordnung…).

(vgl. Strangl zit. nach Tarnai, 2010, S.171)

Patry & Hofmann (1998) zeigen:

  • Lehrer möchten am liebsten Autonomie fördern.

  • In der Praxis setzen sie aber eher Disziplin und Wissensvermittlung um.

(vgl. Patry & Hofmann zit. nach Tarnai, 2010, S.171)

 

Wandel der Erziehungsziele

Studien zeigen: Es hat ein Wertewandel stattgefunden. Früher war Gehorsam wichtig – heute ist es Selbstständigkeit.

Beispiel: EMNID-Umfrage (Klages 1993)
Frage: Worauf sollte Erziehung besonders achten?
Drei Antwortmöglichkeiten:

  1. Gehorsam & Unterordnung

  2. Ordnung & Fleiß

  3. Selbständigkeit & freier Wille

(Klages zit. nach Tarnai, 2010, S.173)

 

Ergebnis:

  • 1951: 28 % für Selbstständigkeit

  • 1989: 67 % für Selbstständigkeit
    → Ein klarer Wertewandel!

(Klages zit. nach Tarnai, 2010, S.173)

 

ALLBUS-Daten (1982, 1992) bestätigen das:
Nicht nur junge, auch ältere Menschen schätzen heute Autonomie höher. Ursache: Mehr Bildung und veränderte Sozialisation.

Fazit

  • Erziehungsziele zeigen, was uns als Gesellschaft wichtig ist.

  • Der Trend geht klar in Richtung Autonomie und soziale Kompetenzen – weg von Gehorsam und Anpassung.

  • Solche Ziele spiegeln gesellschaftliche Wertorientierungen wider