Der Herbst im Kunstunterricht
Wenn die Blätter sich färben und die Tage kürzer werden, stellt sich jedes Jahr aufs Neue die Frage: Was kann man im Kunstunterricht Schönes gestalten? Die warmen Töne von Rot, Gelb, Orange und Braun bieten eine wunderbare Grundlage.
Ich wollte eine Unterrichtsstunde entwickeln, in der genau diese Farben im Mittelpunkt stehen. Wie an verschiedenen Stellen auf dieser Website schon erwähnt, bin ich kein Freund von Ausmalbildern oder vorgegebenen Motiven, die Kinder lediglich ergänzen oder „fertigstellen“ sollen. Stattdessen geht es mir um Ideen, die Freiraum lassen, zum Experimentieren anregen und echte Abwechslung bieten.
Vielleicht ist ja auch etwas für dich dabei. Nimm mit, was dir gut tut :)

Herbstbilder in Kratztechnik...
In dieser Kunststunde gestalten die Schülerinnen und Schüler ein Herbstbild, das die Farben, Blätter und Früchte dieser Jahreszeit festhält. Denn was draußen bald vergeht (die warmen Töne und Formen des Herbstes) kann in der Kunst bewahrt werden.
Zu Beginn füllen die Kinder ihr Blatt mit kräftigen Wachsmalfarben in Rot, Gelb, Orange und Braun. Dann folgt ein ungewohnter Schritt: Die farbige Fläche wird vollständig mit einer dunklen Wachsschicht übermalt. Erst ist das Erstaunen groß: "Alles verschwindet?". Doch genau hier liegt der Reiz dieser Technik. Die Kinder kratzen nun Linien und Formen in die dunkle Schicht und lassen so die Farben wieder sichtbar werden.
Als Vorlage dienen die mitgebrachten Naturmaterialien (Blätter, Kastanien, Hagebutten, (...)). So entsteht eine Verbindung zwischen Beobachtung und Gestaltung. Nach und nach treten aus der dunklen Fläche neue Bilder hervor: Blätter, Strukturen und kleine Details. Die Kinder erleben dabei, dass man auch durch Wegnehmen gestalten kann.
Du brauchst...
- Ein Tuch (auf dem die Schätze des Waldes ausgebreitet werden ("unser Herbstbild")
- Schätze des Waldes (zur Menge: Jedes Kind sollte eine Kastanie, eine Hagebutte und drei verschiedene Blätter bekommen (und natürlich noch ausreichend Materialien für das "Herbstbild")
- Kastanien
- Verschiedene Blätter in unterschiedlichen Farben
- Hagebutten
- (Diese Liste kannst du natürlich auch erweitern) ;)
- Kartonpapier (am besten weiß oder helles braun)
- Schaschlikspieße (evtl. auch Zahnstocher)
- Und das wichtigste: Ganz viel gute Laune ;)
Bevor die Stunde beginnt, werden auf einem Tuch die „Schätze des Waldes“ ausgebreitet (bspw.: Kastanien, bunte Blätter in Rot-, Gelb- und Orangetönen, Hagebutten). Diese Materialien bilden nicht nur die Grundlage der späteren Bildgestaltung, sondern auch den sinnlichen Einstieg in das Thema. Sie dienen als Farbinspiration und als reale Beobachtungsobjekte für die zeichnerische Arbeit.
Zu Beginn der Stunde betrachten die Kinder gemeinsam die ausgebreiteten Naturmaterialien. Im Gespräch geht es um die Jahreszeit Herbst, um Veränderungen in der Natur und um die Farben, die im Kreis zu finden sind. Die Lehrperson lenkt den Blick der Kinder gezielt auf Details: die Form der Blätter, ihre gezackten Ränder, die feinen Adern oder die glatte, glänzende Oberfläche einer Kastanie. So werden die Kinder zum genauen Hinschauen angeregt und beginnen, Unterschiede und Besonderheiten bewusst wahrzunehmen.
(LP verteilt Kartonpapier an die Schülerinnen und Schüler)
Zunächst füllen die Kinder ihr Blatt vollständig mit kräftigen Herbstfarben: Rot, Gelb, Orange (und evtl. Braun).
Quelle: Eigene Aufnahme
Dabei lernen sie, den gesamten Bildraum zu nutzen und mit Farbe großzügig umzugehen. Diese Farbschicht wird anschließend vollständig mit einer dunkleren Farbe (zum Beispiel Rotbraun) übermalt.
Kurze Anmerkung: Oftmals haben die Kinder keine qualitativ hochwertigen Wachsmalstifte zur Verfügung, sodass das Rotbraun nicht deckend genug ist. Leider muss man dann hier auf die Schwarz zurückgreifen und damit dann über die bunten Herbstfarben malen.
Dieser Schritt wirkt zunächst befremdlich, denn das bunt leuchtende Herbstbild verschwindet unter einer dunklen Farbschicht.
Quelle: Eigene Aufnahme
Doch genau hier beginnt der Zauber...
In der Regel hat jedes Kind in seinem Wachsmalstiftkasten einen Kratzer versteckt. Oftmals wissen die Kinder gar nicht, wozu dieses "Ding" gut ist. An dieser Stelle kann man die Schülerinnen und Schüler auch einfach mal fragen: (L nimmt einen Kratzer aus dem Wachsmalstiftkasten und fragt:) "Was ist das denn eigentlich?!"
Kurze Anmerkung: Bei manchen Kindern befindet sich kein Kratzer in dem Kasten. Hier kann man dann einfach ein paar Schaschlikspieße (oder auch Zahnstocher) nehmen.
Mit diesem Kratzer werden Linien und Flächen aus der dunklen Schicht herausgekratzt, sodass die darunterliegenden Farben wieder sichtbar werden. So entsteht ein lebendiges, farbiges Linienbild: Die Kinder erleben, dass man auf ganz unterschiedliche Weise gestalten kann, nicht nur mit einem Stift, sondern auch, indem man Farbe wieder entfernt.
Bevor es an das Freikratzen geht, bekommt jedes Kind eine kleine Sammlung von Herbstgegenständen: Drei verschiedene Blätter, eine Kastanie und eine Hagebutte. Diese dienen als Vorlage für die Kratzzeichnung. Die Kinder sollen die Dinge genau betrachten und versuchen, sie möglichst wirklichkeitsnah darzustellen.
(Als Vorbild dient das "Herbstbild", welches vorne auf dem Tuch gelegt wurde).
Die Lehrperson erinnert die Kinder daran, genau hinzuschauen: Wie ist die Form des Blattes? Ist der Rand glatt oder gezackt? Wie verlaufen die Adern? Wie bekommt man es hin, dass das Blatt Struktur zeigt?
Diese Fragen unterstützen die Schülerinnen und Schüler und regen zum genauen Hinsehen an. Je nach Alter der Kinder kann auch gemeinsam besprochen werden, wie man Strukturen zeichnerisch umsetzt, etwa durch Linien, Punkte oder Schraffuren. Um die Beobachtung noch zu vertiefen, können auch Nahaufnahmen von Blättern oder Kastanien gezeigt werden, eventuell sogar unter dem Mikroskop. Solche Momente des Staunens führen die Kinder in eine Haltung des genauen, neugierigen Schauens, welche für die ästhetische Erfahrung im Kunstunterricht essentiell ist.
Das zeichnerische Erfassen realer Gegenstände schult das genaue Hinsehen und unterstützt die Entwicklung einer differenzierten Beobachtungskompetenz. Es ermöglicht ein intensives Auseinandersetzen mit Form, Proportion und Detail und trägt zur bewussten Wahrnehmung und zum vertieften Verständnis des dargestellten Objekts bei. Verstärkt wird diese Auseinandersetzung durch solch ein Gespräch über diese Gegenstände oder auch durch Nahaufnahmen etc. (wie eben beschrieben)
Quelle: Eigene Aufnahme
Was macht eine gute Kunststunde aus?
Sie enthält Phasen der Rezeption, Produktion, Reflexion!
Dann beginnt der eigentliche Malprozess. Die Kinder übertragen das Gesehene auf ihr Bild: Sie kratzen Linien, Konturen und Strukturen in die dunkle Wachsschicht und lassen so die leuchtenden Farben des Herbstes wieder erscheinen. Schritt für Schritt entstehen farbige Blätter, Kastanien oder Hagebutten. Jedes Werk ist einzigartig und Ausdruck einer individuellen Wahrnehmung. Der Moment, in dem die verborgenen Farben sichtbar werden, ist für die Kinder besonders faszinierend.
Während des Arbeitens begleitet die Lehrperson die Kinder, gibt kleine Hinweise und beantwortet Fragen anhand der vorliegenden Materialien. Besonders wichtig ist es, die Kinder darin zu unterstützen, ihre Beobachtungen mit der zeichnerischen Umsetzung zu verbinden. Der Fokus liegt nicht auf einem perfekten Ergebnis, sondern auf dem genauen Hinsehen, dem mutigen Ausprobieren und dem bewussten Umgang mit Farbe und Form.
Am Ende der Stunde werden die fertigen Werke gemeinsam betrachtet. Die Kinder dürfen erzählen, was sie gemalt und entdeckt haben: Welche Farben unter der dunklen Schicht sichtbar wurden, welche Formen ihnen aufgefallen sind und was sie vielleicht überrascht hat. In diesem abschließenden Gespräch werden Wahrnehmung, Ausdruck und Sprache miteinander verbunden. Es entsteht ein kleiner Moment der Wertschätzung: für das eigene Werk und für den kreativen Prozess.
Lehrplanbezug
Lernbereich 4: Erfahrungswelten
Kompetenzerwartungen
Die Schülerinnen und Schüler geben Personen, Tiere und Objekte in differenzierten Schemata wieder.
Inhalte zu den Kompetenzen
- Gegenstände: Figuren, Tiere, Pflanzen oder Gebäude
- wichtige Begriffe: beobachtete Phänomene; Formeigenschaften (z. B. dick – dünn, spitz – rund); Farben: Blau, Rot, Gelb, Violett, Orange, Grün, Braun, Schwarz, Grau, Weiß
- Verfahren: Skizze, Detailstudie, Gesamtdarstellung (z. B. aus Körperteilen wird ein Tier)
Meine Unerfahrenheit im Kunstunterricht ;)
Diesen Unterrichtsversuch habe ich auch schon mit einer ersten Klasse durchgeführt. Aufgrund meiner noch geringen Erfahrung dachte ich zunächst, dass die Kinder das gut hinbekommen würden. Als ich jedoch feststellte, dass viele Erstklässlerinnen und Erstklässler Schwierigkeiten mit der Kratztechnik hatten, fand ich es schade, dass einige Kinder, die sich sehr schwer taten, am Ende kein buntes Herbstbild haben würden. Deshalb habe ich in der darauffolgenden Stunde die Blätter, aber auch Kastanien und Hagebutten, noch einmal genauer mit den Kindern untersucht. In der produktiven Phase des Kunstunterrichts ließ ich sie dann Formen aus buntem Papier ausschneiden. Dafür gab es natürlich keine Vorlage. Die Grundlage dieser Arbeit war die genaue Betrachtung der Blätter und das Anfertigen von Skizzen. Auch das Ausschneiden wurde noch einmal mit der Klasse besprochen und erprobt.
Und ich finde, dass sich diese tollen Werke mehr als sehen lassen können, selbst wenn die Kratztechnik bei manchen Kindern nicht so funktioniert hat, wie sie es sich gewünscht haben. Mir gefallen die Kunstwerke der Kinder wirklich ausgesprochen gut und ich denke, dass es – auch wenn es in diesem Fall ungeplant war – richtig war, die Kinder herauszufordern und ihnen neue Techniken zu zeigen, selbst wenn sie zunächst schwierig erscheinen. Ich neige nämlich eigentlich dazu, den Kindern nicht zu viel zuzumuten. Das ist aber, und das weiß ich auch selbst, nicht unbedingt der beste Weg. Die Kinder sollen sich ausprobieren dürfen und sie sollen etwas wagen. Im Nachhinein bin ich deshalb mehr als glücklich darüber, dass alles so gekommen ist.
Quelle: Eigene Aufnahme
Weitere Unterrichtseinheiten

Lichtzauber und Schattenwesen
Die folgende Unterrichtseinheit thematisiert den Herbst zwar nicht konkret, ist aber perfekt für die dunkleren Jahreszeiten geeignet...
In dieser Unterrichtseinheit gestalten die Schülerinnen und Schüler eigene Fantasiewesen und tauchen ein in das geheimnisvolle Spiel von Licht und Schatten. Schau doch gerne mal rein ;)