
Fantasiewesen
In letzter Zeit habe ich viel darüber nachgedacht, wie sich guter Kunstunterricht für Grundschulkinder gestalten lässt. Auf der Suche nach Inspiration stoße ich immer wieder auf das Übliche: Ausmalbilder, Bastelideen und einfache Schablonen. Doch genau das ist für mich der Grund, weshalb Kunst im Schulalltag häufig nicht den Stellenwert bekommt, den es verdient.
Natürlich weiß ich aus eigener Erfahrung, wie herausfordernd es ist, kreative und zugleich durchdachte Stunden zu konzipieren. Gerade in den ersten Schulwochen fehlt oft die Zeit, neue Ideen zu entwickeln. Umso wichtiger ist es mir, auf dieser Seite Unterrichtsentwürfe bereitzustellen, die Lehrerinnen und Lehrer im Alltag entlasten können, denn der Schulalltag ist fordernd genug.
Vor diesem Hintergrund habe ich überlegt, welches Thema die Fantasie der Kinder wirklich anregen kann und viel Raum für eigene Ideen lässt. Es sollte farbenfroh sein, die Auseinandersetzung mit einem Künstler beinhalten und zugleich Raum für Geschichten eröffnen. Schnell kam mir dabei das Thema „Fantasiewesen“ in den Sinn. Dieses Thema ist so dankbar, weil Kinder Neues erfinden und ihrer Kreativität freien Lauf lassen können.
Ein Kunstwerk, das sich dafür wunderbar eignet, ist Wassily Kandinskys Himmelblau. Ich bin zufällig auf dieses Bild gestoßen und war sofort begeistert: Es ist verspielt, farbenfroh und voller Formen, die zum Entdecken und Weiterdenken einladen. Bei meiner Recherche habe ich gesehen, dass es bereits Unterrichtsentwürfe und Konzepte dazu gibt. Näher befasst habe ich mich aber mit diesen nicht, da ich bewusst versuchen wollte meinen eigenen Zugang zu der Stunde zu finden. Also nimm von meiner Version mit, was dir gut gefällt :)
Nach dem Gedicht kann man dann beispielsweise so weiter machen:
Ein Künstler namens Kandinsky hat sich von seiner Fantasie leiten lassen: In seinem Bild Himmelblau kannst du solche Fantasiewesen finden. Dieses Bild habe ich euch heute mitgebracht…
Besonders schön ist es, wenn man gemeinsam mit den Kindern das Bild näher betrachtet und darüber ins Gespräch kommt (zum Beispiel): "Lasst uns das Bild nun gemeinsam betrachten: Welche Wesen kannst du entdecken? Was haben sie gemeinsam? Worin unterscheiden sie sich?" – So wird das genaue Hinsehen geschult. Gegebenenfalls kann man an dieser Stelle gemeinsam Kriterien herausarbeiten, welche bei dem gestalterischen Prozess beachtet werden sollen (bunt, ungewöhnlich, so etwas gibt es in Wirklichkeit nicht, etc.).
Kriterien sind meiner Meinung nach für den Kunstunterricht von enormer Bedeutung: Vor allem bei solch einem eher freien Thema helfen die Kriterien einen Orientierungsrahmen zu geben. Manche Kinder brauchen Vorgaben, da sie mit zu viel Freiheit oft auch überfordert sein können. Zum anderen kann man die Bilder dann auch besser Bewerten. Im Kunstunterricht passiert es mir auch häufig, dass ich sage "Das hast du gut gemacht!". Das sollte man aber bitte vermeiden: Keine Personifikationen und auch bitte konstruktives Feedback, "was ist an dem Bild gut?", "Woran kann noch gearbeitet werden?". Feedback mit dem die Kinder auch etwas anfangen können und vor allem auch Feedback, welches sich nicht auf ein persönliches Gusto stützt, sondern auf Kriterien, welche man gemeinsam vorher besprochen hat.
Ich verstehe oftmals die Kritik an Kunstunterricht, wenn man nicht nachvollziehen kann, weshalb ein Kind eine bestimmte Note bekommen hat. Da sagen viele "Naja, hat halt nicht den persönlichen Geschmack der Lehrkraft getroffen". Aber wenn man Bewertungskriterien kommuniziert hat, dann kann man sich auch im nachhinein darauf beziehen.
"Und jetzt bist du selbst Künstler. Ich bin gespannt, welches Fantasiewesen dir einfällt. Denk noch einmal an unsere Kriterien (Wiederholung der Kriterien) und lass dich von deiner Fantasie leiten."
Material für die Ausarbeitung:
Mein bevorzugtes Material für die Stunde sind Buntstifte. Die Kinder können so detailliert zeichnen und die Kinder sind bereits vertraut mit dem Material. (Trotzdem habe ich vor dem "eigentlichen" Zeichenprozess eine kurze Aufwärmübung (zu Stift und Papier) mit den Kindern gemacht).
Außerdem habe ich ein Blatt in kleinerem Format ausgewählt, so werden die Kinder in ihrer Ausarbeitung nicht allzu groß und die Fantasiewesen passen alle auf ein Plakat.
Tipps zur Stundendurchführung
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Sind manche Kinder bereits mit ihrem Wesen fertig, können sie (je nach Klassenstufe) unterschiedlich weitermachen.
In der ersten und zweiten Klasse dürfen sie ein weiteres Wesen gestalten, während die Kinder der dritten und vierten Klasse sich einen Namen für ihr Geschöpf überlegen. Diese Namen dürfen natürlich richtig verrückt und fantasievoll sein. -
Gegebenenfalls kann man die Kinder bitten, ihre Wesen selbst auszuschneiden. Das spart viel Zeit und macht den Kindern in der Regel auch Spaß.
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Am Ende der Stunde werden alle Wesen eingesammelt, und die Lehrperson klebt sie anschließend auf ein großes Plakat. Wenn das Kleben erst nach der Stunde oder zu Hause geschieht, entsteht in der nächsten Stunde ein schöner Überraschungsmoment, wenn die Schülerinnen und Schüler das fertige Klassenkunstwerk bestaunen dürfen.
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Ich persönlich finde es immer schön die Namen der Kinder auf dem Klassenkunstwerk zu verewigen. Bewusst habe ich sie für das Foto (oben) vorerst weggelassen ;) - aus datenschutzrechtlichen Gründen
- Ganz wichtig: Am Ende (fast) jeder Kunststunde sollte eine Reflexion stattfinden. Mögliche Fragen sind zum Beispiel:
- Welches Wesen gefällt dir besonders gut und warum?
- Wurden die Kriterien eingehalten?
- Was hat mir heute besonders gut gefallen?
- Was könnte man beim nächsten Mal besser machen?
Diese abschließende Reflexion ist besonders wertvoll, denn das Sprechen über Kunst fördert das Verständnis für Kunstwerke, Techniken und Gestaltungsprozesse und stärkt die Fähigkeit, die eigene Arbeit und die der anderen bewusst wahrzunehmen.
Meine Erfahrungen...
Diese Stunde habe ich nun mit einer vierten Klasse (vor ungefähr zwei Jahren im studienbegleitenden Praktikum durchgeführt) und mit einer 1. Klasse in diesem Schuljahr, um zu sehen, ob sich diese Stunde für alle Jahrgangsstufen eignet. Und das tut sie allemal:
- Man kann die Stunde wunderbar kreativ und schön einführen, was sehr motivierend für die Schülerinnen und Schüler ist.
- Die Kinder sind in ihrer Gestaltung relativ frei (keine Schablonen, keine Ausmalbilder ;) ). Sie dürfen also ihrer Kreativität freien Lauf lassen :)
- Auch Kinder, die im Zeichnen noch nicht so weit sind wie andere, erschaffen kreative und unglaublich tolle Fantasiewesen. Das „Ich kann nicht zeichnen“ findet in der Stunde keinen Platz.
- Am Ende entsteht ein Klassenkunstwerk, das noch viel eindrucksvoller ist als das besprochene Kunstwerk.
Ein Klassenkunstwerk ist meiner Meinung nach immer etwas richtig Wertvolles für den Kunstunterricht, denn die Kinder sind so Teil von einem Ganzen. Es repräsentiert die ganze Klasse, und hier zählt nicht, welches Bild am schönsten ist, da es am Ende nur ein Bild gibt.
Lehrplanbezug: Ku1/2 Lernbereich 5: Fantasiewelten
Kompetenzerwartungen
"Die Schülerinnen und Schüler ...
- entnehmen Anregungen aus fremden oder selbsterfundenen Geschichten, um daraus Elemente und Ideen für eigene Bilder und Objekte (z. B. Figuren) zu gewinnen." (LehrplanPLUS Bayern)
Inhalte zu den Kompetenzen
- "Gegenstand und seine Funktionen/Kontexte: Geschichten aus den Gattungen Märchen, Fantasiegeschichten, Traumreisen aus verschiedenen Kulturkreisen; Elemente (z. B. handelnde Figuren, Ort, Zeit, Atmosphäre)" - (LehrplanPLUS Bayern)