Philosophieren mit Kindern

Große Fragen für kleine Denker

Schon der Versuch, eine allgemeingültige Definition von „Philosophie“ zu finden, endet meist in einem fortwährenden Prozess des Suchens und Weiterdenkens. Genau darin liegt das Wesen des Philosophierens: Es geht nicht in erster Linie um die eine richtige Antwort, sondern um den Weg, den man gemeinsam oder allein beim Nachdenken beschreitet.

Friedrich Nietzsche schrieb einst: „Was ist das eigentlich, was ich tue? Und was will gerade ich damit?“ – für ihn waren das die persönlichsten Fragen der Wahrheit. Er kritisierte, dass in der Bildung häufig oberflächliche Themen oder gesellschaftliche Konventionen Vorrang haben, während Raum für das Fragen nach der Wirklichkeit fehlt. Dabei ist gerade dieses Fragen für Kinder ein natürlicher Antrieb: Sie wollen verstehen, warum Dinge so sind, wie sie sind, und warum es überhaupt etwas gibt und nicht nichts.

In vielen Schulen gewinnt das Philosophieren mit Kindern inzwischen an Bedeutung. Noch immer findet es aber nicht überall seinen Platz, obwohl Kinder täglich unzählige Fragen stellen, die sich hervorragend für ein gemeinsames Weiterdenken eignen.

Was bedeutet Philosophieren eigentlich?

Wenn wir „Philosophie“ hören, denken viele sofort an dicke Bücher, komplizierte Theorien und große Denker wie Kant oder Aristoteles. Doch das Philosophieren, um das es hier geht, ist etwas anderes: ein natürliches, alltagsnahes Philosophieren.

Es ist ein Prozess des Fragens und Weiterdenkens. Das kann allein geschehen, aber besonders bereichernd wird es im Dialog – sei es mit einer anderen Person oder in einer Gruppe. Man teilt Gedanken, Zweifel, Gefühle und Argumente miteinander und entdeckt dabei neue Perspektiven.

Eine philosophische Frage ist dabei nicht eindeutig zu beantworten. Sie berührt Themen, die die Menschheit seit jeher bewegen: Ist es mutiger, etwas zu sagen oder nichts zu sagen? Sollten alle Menschen gleich viel besitzen? Kann es zu viel geben? ...

Entscheidend ist nicht, eine Lösung zu finden, sondern eigene Denkweisen zu hinterfragen, die Sicht anderer zu respektieren und Sprache bewusst zu verwenden.

Warum ist das Philosophieren mit Kindern wertvoll?

Kinder sind von Natur aus kleine Philosophen. Sie stellen Fragen, die Erwachsene oft ins Staunen bringen: "Ist alles, was ich weiß, auch wirklich wahr?"

Philosophische Gespräche geben diesen Fragen Raum. Sie fördern nicht nur das eigenständige Denken, sondern auch das Zuhören, das Abwägen und das Respektieren anderer Sichtweisen. Kinder lernen, dass es bei manchen Fragen kein „richtig“ oder „falsch“ gibt – und dass gerade das spannend ist.

Das Philosophieren ist damit nicht bloß ein Gespräch über abstrakte Themen, sondern auch ein pädagogisches Mittel: Es stärkt das Sozialverhalten, regt zu Kreativität an und öffnet den Blick für die eigene Lebenswelt.

Wie ein philosophisches Gespräch gelingen kann

Grundsätzlich kann man sagen: Es gibt drei Phasen des Philosophierens

Phase 1: Vorbereitungsphase: 

In der Vorbereitungsphase (auch Einführungsphase genannt) leitet man das philosophische Gespräch mittels verschieden gewählter Mittel ein. Hierzu können, je nach Fragestellung oder Thema, unterschiedliche Medien hilfreich sein: Ein Video, Bildimpulse, Texte, Lieder, Gedichte und vieles mehr... 

WICHTIG: Nicht jedes Thema ist für die Kinder gleich gut geeignet. Besonders "Trauer" sollte man mit Bedacht angehen: Passe das Thema an die Bedarfe und Interessen der Kinder an! 

Die Vorbereitungsphase gut durchdacht und vorbereitet sein, denn sie schafft die Atmosphäre für das philosophische Gespräch. 

 

  • Regeln: Kinder sollen erfahren, dass jede Meinung zählt. Symbole wie ein „Sprechball“ oder eine Sanduhr können helfen, das Gespräch fair zu gestalten.

  • Atmosphäre: Eine ruhige, wertschätzende Umgebung ist entscheidend. Kinder brauchen das Gefühl, dass sie frei sprechen dürfen, ohne bewertet zu werden.

  • Themenwahl: Fragen oder Impulse sollten an die Lebenswelt der Kinder anknüpfen – sei es ein Bild, ein kurzes Video oder eine Frage, die sich aus dem Alltag ergibt.

  • Rolle der Erwachsenen: Erwachsene sind weniger Lehrende, sondern eher Moderierende. Sie halten den Gesprächsrahmen, ohne Antworten vorzugeben, und sorgen dafür, dass die Kinder im Dialog bleiben.

So kann aus einer Alltagsfrage ein tiefer Austausch entstehen, der Kinder dazu ermutigt, weiterzudenken und eigene Positionen zu entwickeln.

 

Philosophieren mit Kindern bedeutet, sie ernst zu nehmen – mit ihren Fragen, Zweifeln und Gedanken. Es schafft Räume, in denen sie ihre Welt nicht nur erkunden, sondern auch deuten lernen.

Während im Alltag oft schnelle Antworten erwartet werden, lehrt das Philosophieren, dass es wertvoll ist, bei einer Frage zu verweilen. Kinder erfahren so: Fragen sind nicht ein Zeichen von Unwissen, sondern ein Motor für Erkenntnis.

Ob zu Hause, in der Schule oder unterwegs – überall können Anlässe zum gemeinsamen Nachdenken entstehen. Es braucht nur Offenheit, Geduld und die Bereitschaft, sich von den Gedanken der Kinder überraschen zu lassen.