
Lichtzauber und Schattenwesen
Eines Nachts schlichen Schattenwesen durch die Dunkelheit und raubten der Welt ihre leuchtenden Farben. Zurück blieben Grau, Schwarz, Weiß und das Geheimnis um die seltsamen Wesen. Ob es den Kindern am Ende gelingt, der Welt ihre Farben zurückzubringen?
In dieser Unterrichtseinheit gestalten die Schülerinnen und Schüler eigene Fantasiewesen und tauchen ein in das geheimnisvolle Spiel von Licht und Schatten.
Eigene Aufnahme
Materialien
- Lichtquellen: Scheinwerfer, Taschenlampen, Beamer
-
(Menge je nach Klassengröße unterschiedlich: Pro drei Kinder)
- weiße Wände, Leinwände oder Plakate (als Projektionsflächen)
- Faden (zum Befestigen der Schattenwesen)
- Klebefilm
- Materialien (Exploration/Gestaltungsprozess): z.B. Blätter, Zweige, Fäden, Drähte, Luftpolsterfolie, weitere transparente Folien, Karton etc.
- Video Théâtre d’ombres: https://youtu.be/TDrFplT3Nug?si=8wkIe5AY31Uowjdh
- PPP: Thema der Stunde „Licht und Schatten“ + Arbeitsauftrag : „Gestalte dein eigenes fantasievolles Wesen mit Licht und Schatten“+ Hinweis: „Halte es immer wieder ins Licht und beobachte!“ + Foto von Christian Boltanski
- Behälter, um die Schattenwesen aufzubewahren
- farbige Folien (Abschluss)
Vorbereitung des Klassenzimmers
Bevor die Schülerinnen und Schüler den Raum betreten, sollte dieser entsprechend vorbereitet werden. Dazu empfiehlt es sich, verschiedene Lichtquellen bereitzustellen (beispielsweise Taschenlampen, alte Overhead-Projektoren oder kleine Scheinwerfer). Für die Explorationsphase arbeiten die Kinder gruppenweise an den Lichtquellen (Stationen), deshalb sollten dort bereits Materialien bereit gestellt sein, welche an jeder Station gleich sind, um ähnliche Bedingungen zu schaffen. Zudem sollte der Raum leicht abgedunkelt werden, um eine stimmungsvolle Atmosphäre zu schaffen. Besonders gut eignet sich hierfür die erste Unterrichtsstunde in den dunkleren Monaten des späten Herbstes und Winters, wenn es draußen noch dämmert.
Ohne Licht kein Schatten: Einführung
Zu Beginn der Stunde wird das Licht ausgeschaltet (ohne jeglichen Kommentar). Diese plötzliche Dunkelheit sorgt bei den Kindern zunächst für Verwunderung und Neugier. Anschließend schaltet die Lehrperson nach und nach die verschiedenen Lichtquellen einzeln ein. Währenddessen stellen die Kinder vermutlich viele Fragen, doch in diesem Moment steht das Beobachten im Vordergrund: Sie sollen wahrnehmen, wie sich der Raum mit jeder neuen Lichtquelle verändert.
Nach und nach wird es heller, und die Kinder bemerken, dass jedes Licht anders wirkt und die Atmosphäre des Raumes auf eigene Weise verändert. Mit jeder Lichtquelle entstehen neue Schatten, die sich je nach Position und Stärke des Lichts unterscheiden. So erleben die Kinder erste sinnliche Eindrücke und Beobachtungen zum Thema Licht und Schatten.
Im anschließenden Gespräch kann die Lehrperson gezielte Fragen stellen, um die Wahrnehmung der Kinder zu vertiefen: Was siehst du? Was fühlst du? Was hörst du?
Darauf aufbauend kann der Fokus gezielt auf die Schatten gelenkt werden. Die Lehrperson schaltet eine Lichtquelle kurz aus und nach einiger Zeit wieder ein, damit die Kinder beobachten können, wie sich der Schattenwurf verändert.
"Es geht heute um Licht und Schatten!"
(Das Thema wird zur Visualisierung an die Tafel geschrieben)
Exploration: Wir erforschen, wie Schatten entstehen!
In der Exploration setzen sich die Schülerinnen und Schüler mit verschiedenen Materialien und ihren jeweiligen Schattenwürfen auseinander. Besonders im Herbst eignen sich Blätter, Äste und andere Naturmaterialien hervorragend für diese Phase. Ergänzend dazu erhalten die Kinder transparente und halbtransparente Materialien wie Folien, Luftpolsterfolie, Drähte oder unterschiedliche Stoffe. Die Kinder arbeiten in kleinen Gruppen von etwa drei bis maximal vier Personen. Jede Gruppe begibt sich zu einer der vorbereiteten Lichtquellen-Station.
Der Fokus wird gezielt auf die entstehenden Schattenwürfe gelenkt. Durch Impulsfragen werden die Kinder zum genaueren Hinsehen angeregt:
„Was passiert, wenn du das Objekt näher oder weiter weg von der Lichtquelle hältst?“
„Was brauchst du, um einen Schatten zu erzeugen?“
"Was verändert sich?"
Die Kinder experimentieren spielerisch mit Licht und Schatten. Sie halten ihre Hände dicht vor die Lichtquelle, bewegen sie näher oder weiter weg, legen Objekte übereinander und beobachten aufmerksam, wie sich die Schatten verändern: Werden sie größer oder kleiner, schärfer oder weicher?
Dabei erfahren die Kinder Licht nicht nur als physikalisches, sondern vor allem als ästhetisches Phänomen. Sie entdecken, dass Licht die Stimmung im Raum verändern, Gegenstände in ein neues Erscheinungsbild tauchen und den Schattenwurf je nach Blickwinkel verändern kann. Solche Momente des Staunens sind zentrale Elemente ästhetischer Erfahrung. Sie ermöglichen den Kindern, das Vertraute neu zu sehen und sich selbst als forschend und gestaltend wahrzunehmen.
Reflexion
Im Anschluss an die Explorationsphase folgt eine gemeinsame Reflexion der gemachten Erfahrungen. Die Schülerinnen und Schüler lernen ihre sinnlichen und künstlerischen Erlebnisse in Worte zu fassen und zu beschreiben. Dies unterstützt nicht nur die bewusste Verarbeitung des Erlebten, sondern hilft auch dabei, das eigene Tun zu verstehen und einzuordnen. Durch den Austausch in der Gruppe hören die Kinder, welche Beobachtungen und Ideen ihre Mitschülerinnen und Mitschüler hatten.
So entstehen neue Anregungen, die sie in der anschließenden Gestaltungsphase aufgreifen und weiterentwickeln können. Diese Reflexionsphase ist daher ein wesentlicher Bestandteil des Gestaltungsprozesses: Sie verbindet das Erforschen mit dem bewussten Nachdenken und öffnet den Raum für kreative Weiterentwicklungen.
Die Erkenntnisse der Exploration können an der Tafel festgehalten werden. Wichtig bei dieser Phase ist, dass der Zusammenhang "Lichtquelle-Objekt-Fläche -> Schatten" klar ist, um bei der Produktion auf dem Wissen aufbauen zu können.
Überleitung: Geschichte – „Schattenwesen“
Es war abends, draußen war es dunkel, und nur der Mond leuchtete über den Garten. Plötzlich hörte ich ein Rascheln. Erst ganz leise, dann wieder. Irgendetwas bewegte sich dort draußen! Neugierig nahm ich mein Fernglas und blickte hinaus in die Nacht. Zuerst sah ich nur die Bäume, deren Äste sich sanft im Wind wiegten. Doch dann – oh! – da war etwas! Ein kleines Wesen huschte über die Wiese. Es hatte dünne Beine, zottelige Haare und eine spitze Nase. Kaum wollte ich genauer hinsehen, war es verschwunden. Ich drehte das Fernglas ein Stück weiter (…) und erschrak: Ein riesiges Wesen mit großen Segelohren und breiten Flügeln schwebte dort! Sein Schatten zog über den Boden und ließ alles um sich herum dunkler werden. Und plötzlich sah ich noch mehr. Überall bewegten sie sich: Kleine, große, flatternde Schattenwesen. Sie glitten durch die Nacht, schlichen zwischen den Bäumen hindurch und tanzten an den Hauswänden entlang. Und überall, wo sie vorbeikamen, geschah etwas Merkwürdiges: Die Welt verlor ihre Farben. Die Schattenwesen schienen Freude daran zu haben. Sie sammelten die Farben ein! Dann wurde es still. Als am Morgen die Sonne aufging erschrak ich. Es war kein Traum: Die Schattenwesen haben der Welt ihre Farben gestohlen!
Die Geschichte schafft einen emotionalen Übergang von der forschenden zur gestalterischen Phase. Sie eröffnet einen imaginativen Raum, in dem das zuvor Beobachtete in Fantasie überführt werden kann.
Die Beschreibungen in der Geschichte unterstützen die Schülerinnen und Schüler bei der Umsetzung. Sie gibt indirekte Impulse, wie Schattenwesen aussehen können.
Wir gestalten unser eigenes fantastisches Wesen mit Licht und Schatten
In der anschließenden Produktionsphase dürfen die Kinder ihre eigenen Schattenwesen erfinden und gestalten. Dabei nutzen sie unter anderem auch Materialien, mit denen sie zuvor bereits experimentiert haben. So greifen sie auf ihre Erfahrungen aus der Explorationsphase zurück. Sie wissen nun, wie sich verschiedene Gegenstände im Licht verhalten und welche Schatten sie werfen. Mit großer Neugier und Fantasie kombinieren die Schülerinnen und Schüler die Materialien, fügen sie zu Körpern, Köpfen oder Flügeln zusammen und entdecken dabei immer neue Formen und Figuren. Auf diese Weise wird das zuvor Erfahrene, Licht, Schatten, Form und Bewegung, in die eigene gestalterische Arbeit überführt. Der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. Für Kinder, die früher fertig sind, bietet sich eine weiterführende Aufgabe an: Sie können zu ihren Schattenwesen eine kleine Geschichte erzählen oder darstellen. Als Impuls kann die Lehrperson an die zuvor erzählte Geschichte anknüpfen: Wie sah es wohl aus, als die Schattenwesen die Farben stahlen? Möchtet ihr diese Szene nachstellen oder aufführen? Je nach Zeit und Interesse der Gruppe kann die Aufgabenstellung flexibel erweitert und vertieft werden.
Besonders gut geeignet ist es, wenn man eine kleine Würfelstation aufbaut, wo die Kinder ihre Differenzierungsaufgaben würfeln können, das erleichtert die Auswahl.
Reflexion und Präsentation
Im Anschluss folgt die Präsentation der entstandenen Schattenwesen. Jede Gruppe darf ihre Figuren im Licht vorstellen und vorführen. Dabei werden die Schattenwesen von den Schülerinnen und Schülern an Schnüren gehalten. So bewegen sich die Figuren mit den Gesten und Bewegungen der Kinder mit. Diese Dynamik verleiht dem Schattenspiel einen besonderen Reiz: Es entsteht ein lebendiges Zusammenspiel zwischen Licht, Bewegung und Figur. Gleichzeitig sind die Kinder aktiv in die Präsentation eingebunden. Sie werden selbst Teil ihres Werkes und gestalten die Aufführung mit.
Diese Schnüre können zusätzlich noch an Stöcken befestigt werden. Die Schattenwesen können so noch etwas besser vor das Licht gehalten und präsentiert werden.
Während der Vorstellung erhält jede Gruppe Raum für ihre eigene, individuelle Darbietung. Die Lehrperson achtet dabei auf eine wertschätzende Atmosphäre, in der die Kinder stolz ihre Ergebnisse zeigen dürfen.
"Impuls: "Dieses Schattenwesen gefällt mir besonders gut, weil..."
Zur zusätzlichen Motivation kann die Präsentation der Schattenwesen gefilmt werden. Das entstehende Filmmaterial kann später beispielsweise im Rahmen einer Ausstellung oder am Schuljahresende gezeigt werden. Das Filmen vermittelt den Kindern das Gefühl, dass ihre Arbeit Bedeutung hat, dass das, was sie geschaffen haben, gesehen werden muss. So erfahren sie Wertschätzung für ihr künstlerisches Tun und erleben das Schattenspiel als etwas Besonderes und „filmwürdiges“.
Werkrezeption: „Théâtre d’ombres“ von Christian Boltanski
In der anschließenden Rezeptionsphase begegnen die Schülerinnen und Schüler dem französischen Künstler Christian Boltanski und seinem Werk „Théâtre d’ombres“ (Schatten-Theater). Gemeinsam begeben wir uns auf einen imaginären Museumsbesuch: Der Klassenraum ist verdunkelt: „Stellt euch vor, wir gehen in ein Museum und ihr betretet diesen Raum“, sagt die Lehrperson. Dann beginnt das Video.
Zunächst zeigt die Kamera kleine Figuren, die an einem Gestell hängen. Durch die langsame Kameraführung entsteht Spannung und die Kinder verfolgen gebannt, was geschieht. Plötzlich erscheinen die Gestalten als riesige Schatten an der Wand. Ihre Bewegungen wirken geheimnisvoll, beinahe lebendig.
(Das Video wird bei Minute 1:33 angehalten)
Anschließend werden erste Eindrücke gesammelt:
Was siehst du? Was denkst du? Was fühlst du?
Diese offenen Fragen geben Einblick in die Wahrnehmungen und Emotionen der Kinder. Häufig fallen Begriffe wie gruselig, komisch oder spannend. Gemeinsam wird diesen Empfindungen nachgegangen:
Woran liegt es, dass du das als gruselig empfunden hast? Wie hätte sich die Szene verändert, wenn der Raum hell gewesen wäre?
So entsteht ein intensives Gespräch über die Wirkung von Licht. In Boltanskis Werk zeigt sich: Es ist das Licht, das den Raum verwandelt. Die kleinen Figuren am Boden wirken unscheinbar, doch durch die gezielte Beleuchtung werden sie zu überlebensgroßen Schattenwesen. Ohne Licht kein Schatten und erst das bewusst gesetzte Licht erschafft die geheimnisvolle Atmosphäre.
Da es sich bei Boltanskis Werk um eine Rauminstallation handelt, eignet sich das Video besonders gut zur Rezeption.
Es verdeutlicht, wie sich Licht, Bewegung und Raum zu einem künstlerischen Ganzen verbinden. Der verdunkelte Klassenraum verstärkt diesen Eindruck.
Im anschließenden Gespräch erkennen sie Parallelen zu ihren eigenen Schattenexperimenten: Auch sie haben erlebt, wie Licht Figuren verwandelt, vergrößert und in Bewegung setzt. So führt die Begegnung mit Théâtre d’ombres die Kinder noch tiefer in das geheimnisvolle Spiel von Licht und Schatten hinein.

Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu Boltanskis Werk und unseren Schattenwesen
Gemeinsamkeiten:
- Arbeit mit Licht und Schatten
- Bewusster Einsatz von Licht, um Figuren zu vergrößern
- Projektion von Schattenwesen an die Wand
Unterschiede:
- Boltanski arbeitet mit Gestellen und Ventilatoren
- Sein Werk ist eine eigenständige Rauminstallation ohne die direkte Beteiligung von Menschen
Eigene Aufnahme
Abschluss: Die Welt bekommt ihre Farben zurück
Zum Ende der Einheit erhalten die Kinder eine besondere Aufgabe. Nach all den geheimnisvollen Schatten, den verschiedenen Lichtern und dem eindrucksvollen, etwas düsteren Werk von Christian Boltanski soll die Stunde mit einem hellen, positiven Moment ausklingen.
Mit bunten Transparentpapieren oder farbigen Folien wird das Dunkel der Ausstellung nun im farbigen Licht strahlen: In der Abschlussaufgabe werden die Kinder selbst zu den Heldinnen und Helden der Geschichte:
